Über die Zauberflöte, die Mozart-Oper, weltweit sicher eine der am meisten gespielten Werke des Wiener Meisters, ist viel geschrieben worden, insbesondere über die unterschiedlichsten Inszenierungen – von romantisch, poppig, ganz nüchtern bis hin zu albern, und natürlich in reduzierter Version für Kinder. Die Story ist ja nicht ganz einfach, dreizehn größere und kleinere Partien, ein Chor und ein Erzähler, verschiedene Spielorte und Geheimnisse müssen erst einmal erfasst werden; das dürfte auch für manchen Erwachsenen nicht einfach sein. In der Kölner Kammeroper hatte es jüngst eine solche abgespeckte Version gegeben. Limitierend ist auch immer die heikle und extrem hohe Partie der Königin der Nacht, die natürlich jeder im Ohr hat; ein wenig „fuschen“ geht daher nicht. Bei der Aufführung im Rahmen der Kinderoper Köln gab es dieses Problem allerdings nicht; die junge Koreanerin Veronika Lee, wie alle Sänger (bis auf Youn Woo Kim aus dem Ensemble und Lukáš Bařák) Mitglied des Kölner Internationalen Opernstudios, ist trotz ihrer Jugend eine beachtliche Koloratursängerin mit traumhafter Sicherheit und freier Höhe, ganz ohne hörbare Anstrengung.
Brigitta Gillessen, Chefin des Opernstudios, hat diesmal selbst Regie geführt und dabei das Kunststück vollbracht, die Oper kindgerecht zu entschlacken und zu kürzen, ohne auf den ideologischen Gehalt des Werkes zu verzichten. Der allerdings für jüngere Kinder schwer erkennbar sein dürfte; die Altersgrenze „ab 5 Jahre“ ist recht niedrig angesetzt. Und sie hat auch nicht den Fehler gemacht, allzu viel Lustiges einzubauen, um die Kiddies über knapp anderthalb Stunden bei Laune zu halten. Natürlich gab es viel zu lachen; die böse Schlange kommt zwischen den Zuschauern auf die Bühne, darunter kommen die bekannten drei Damen zum Vorschein, die den Drachen erlegt haben. Und das trotz seines riesigen Mauls. Das Paar Papagena (Alina Wunderlin) und Papageno (Lukáš Bařák) fegt auf einem abstrusen Designer-Roller über die Bühne, auf den mancher der kleinen Zuschauer sicher neidisch war, und Sarastro fährt stolz auf einer Art glänzend und technisch herausgeputztem Kettcar mit einem riesigen Schraubenschlüssel als Zepter und produziert damit heftige Lacher. Viele kleine inszenatorische Details erhalten die Aufmerksamkeit des Publikums, Gillessen hat es geschickt verstanden, für die ganz Kleinen und die ganz Großen im Publikum genügend Substanz zu liefern.
Dazu gehören auch die Bühne und die Kostüme von Nele Ellegiers. Fern von allem romantisierenden Plunder hat sie als Schloss einen schlichten Betonklotz gebaut, beim Drehen an der Verriegelung des zentralen Tresors erscheinen die markanten Begriffe wie Natur, Vernunft und Weisheit, ebenso wie in der Startszene eine verwirrende Zahl von Wegweisern nach Irgendwo, nach Liebe und nach Überall. Dazu diverse rätselhafte Lämpchen, Menschen in gelben Laboranzügen, darunter Youn Woo Kim als Priester mit jeder Menge Elektronik und Yunus Schahinger mit sonorem Bass als Sarastro gar mit einer brennenden Glühbirne auf dem Kopf. Die anstehenden Prüfungen sollen wohl als Laborexperiment durchgeführt werden, eine originelle Idee in der Jetztzeit.
Tamino ist der sehr stimmschöne und spielfreudige William Goforth im Harry-Potter-Look, Kathrin Zukowski schießt klar den Vogel ab mit ihrer Rolle als Pamina sowohl stimmlich wie auch darstellerisch. Einfach wunderbar diese Kathrin. Und der Russe Anton Kuzenok begeistert erneut mit seinem flexiblen Tenor als Monastatos, ebenfalls mit einem geheimnisvollen Technikhelm. Genannt werden muss noch die Isländerin Arnheidur Eiríksdóttir mit entzückendem Mezzo als dritte Dame.
Rainer Mühlbach führte das kongenial begleitende, stark reduzierte Gürzenichorchester umsichtig und mit sicherer Hand, bediente dazu noch das große Glockenspiel-Klavier und fand Zeit, sich über die Gags auf der Bühne sichtlich zu amüsieren. Wie immer gab es ein begleitendes Comic-Heft, Kiana Diederich (15) hat diesmal den Wettbewerb mit einer reizenden Darstellung der drei Prüfungen gewonnen. Und das wird oft nicht erwähnt: das Programmheft, hier überwiegend erstellt von Brigitta Gillessen. Ihre Gedanken zur Zauberflöte und die Bedeutung der einzelnen Akteure dürfte auch hart gesottenen Operngängern noch einiges an Erkenntnis liefern. Wie überhaupt nur eine spitzenmäßige Qualität in Szene und Musik jemanden – auch Kinder – für die Oper begeistern kann; das gilt gleichermaßen für die klassische Musik. So fiel dann auch der Applaus lang und sehr stark aus. Ida und Lotte, die kinderopernerfahrenen Enkelinnen des Rezensenten, waren auf jeden Fall äußerst angetan.