„Kein Fernsehen, aber nie ohne Kunst“ – Hein Mulders im Gespräch

Köln, 12.09.2022

Hein Mulders, neuer Intendant der Oper Köln, stellte sich in „Wildes Wohnzimmer“ den Fragen der bekannten WDR-Moderatorin und Autorin Gisela Steinhauer. Rafaela Wilde, u.a. Rechtsanwältin für Medienrecht und Honorarkonsularin des Königreichs der Niederlande für den Regierungsbezirk in Köln und in der Domstadt im Kulturbereich eine einflussreiche und viel vernetzte Persönlichkeit, hatte zusammen mit ihrem Mann in ihr Wohnzimmer eingeladen. Viel Prominenz aus Politik und Kultur war gespannt auf den „Neuen“, nachdem die langjährige Intendantin der Kölner Oper, Frau Dr. Birgit Meyer, im August dieses Jahres nicht ganz freiwillig aus ihrem Amt ausgeschieden war.

Die Laufbahn als Opernintendant, so Mulders, sei ihm gar nicht in die Wiege gelegt worden. Nach dem Abitur zog er mit siebzehn Jahren nach Paris, um an der École du Louvre Kunstgeschichte zu studieren. Das Studium der Fremdsprachen Italienisch und Französisch sowie der Archäologie u.a. an der Universität Amsterdam zeichneten eigentlich einen anderen Weg als eine Beschäftigung im Opernbetrieb vor, die Mulders aber nach seinem Studium zuerst in der Gesangsabteilung einer der führenden nationalen Musikagenturen in Den Haag aufnahm. Das Casting junger vielversprechender Sängerinnen und Sänger, das Aufspüren der Stars von morgen, sei immer noch seine große Passion. Es gebe sehr viele, technisch sehr gut ausgebildete junge Sängerinnen und Sänger, wichtig sei aber neben der Bühnenpräsenz vor allem die Persönlichkeit, die Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit der künstlerischen Aussage garantiere. Nur reine Stimmgewalt sei keine ausreichende Voraussetzung für eine adäquate Verkörperung einer Rolle.
 
Über die Stationen eines Casting Officer an der Vlaamse Opera in Antwerpen (1995) und des Operndirektors an der Nederlandse Opera in Amsterdam (2006) ging es 2013 auf der Erfolgsleiter weiter steil nach oben. Mulders folgte dem Ruf nach Essen und trat als Intendant des Aalto-Theaters, der Essener Philharmonie und der Essener Philharmoniker das Erbe von Stefan Soltesz an. Das sei nicht immer leicht gewesen, drei Sparten zu bedienen, wie man an den grauen Haaren in seinem Bart sehen könne, meinte der sichtlich gut gelaunte neue Kölner Opernintendant schmunzelnd. Nun freue er sich darauf, sich in Köln wieder ganz seiner eigentlichen Leidenschaft widmen zu können, nämlich der Oper!

Aber auch der Start in Köln sei alles andere als ein Selbstläufer gewesen, zumal seine Tätigkeit in Essen erst im August dieses Jahres auslief. In wenigen Wochen musste er, so Mulders, einen Spielplan für 2022/23 auf die Beine stellen. Eine Mammutaufgabe, die er aber dank seiner Maxime „Kein Fernseher, aber immer Kunst“ habe bewältigen können. Dieses nicht ganz ernst gemeinte Bonmot des ungemein sympathisch wirkenden Holländers führte denn auch zu einigem Gelächter im Auditorium. Seine Hauptaufgabe sehe er erst einmal darin, das Publikum nach den quälenden Monaten der durch die Corona-Pandemie erzwungenen Opernabstinenz wieder in die Oper zurückzuführen. Deshalb habe er Wert darauf gelegt, in der neuen Spielzeit dem Publikum „große“ Oper zu bieten: Puccinis „Turandot“ und „Boheme“, Mozarts „Zauberflöte“ und „Entführung aus dem Serail“ als Wiederaufnahmen, aber besonders z.B. die Premieren von Berlioz‘ Oper „Les Troyens“, von Rossinis Oper „Cenerentola“, von Verdis genialem Frühwerk „Luisa Miller“, Wagners „Fliegender Holländer“ und Händels „Giulio Cesare in Egitto“. Ein Open-Air-Opernkonzert am Tanzbrunnen mit einem populären Programm könne auch nichtopernaffine Besucher dazu ermuntern, ihre Schwellenangst zu überwinden und eine Opernaufführung zu besuchen.

Dass andererseits die moderne Oper in Köln auf eine lange Tradition zurückblicken könne, sei ihm bewusst. So werde es in Zukunft in jeder Spielzeit die Uraufführung eines eigenen Auftragswerks der Oper Köln geben. Und dann verrät Hein Mulders doch, welchem Opernkomponisten seine ganz große Liebe gehört: „Ich würde gerne in jeder Spielzeit eine Händel-Oper aufführen, aber das werde ich nicht tun, denn es kommt auf einen ausbalancierten Mix an.“

Natürlich konnte eine Frage zur Wiedereröffnung der Kölner Oper am Offenbachplatz nicht fehlen, auf die in Köln alle Opernliebhaber nun schon die gefühlte Ewigkeit von über zehn Jahren warten. Mulders ist zuversichtlich, dass 2024 die Renovierung des Riphahn-Baus abgeschlossen ist. Alle Inszenierungen im StaatenHaus, der Interimsstätte der Kölner Oper, seien darauf angelegt, auch mit den Gegebenheiten der Bühne im neu eröffneten Haus kompatibel zu sein. Natürlich freue er sich vor allem auch auf die technischen Möglichkeiten, die das Haus am Offenbachplatz biete. Aber er betont auch, dass die Räumlichkeiten im StaatenHaus zu kreativen, innovativen Regie- und Inszenierungskonzepten anregen.

Und da gerät Hein Mulders geradezu ins Schwärmen, wenn er Johannes Eraths Neuinszenierung von Hector Berlioz‘ Monumentalwerk „Les Troyens“ über den grünen Klee lobt und betont, dass es ein besonderes Glück für ihn darstelle, seine Zeit in Köln mit einer Oper starten zu können, die zu den ganz großen, immer noch vernachlässigten Werken der Opernliteratur gehöre. Dass er im GMD Francois Xavier Roth einen prädestinierten Sachwalter des Musikkosmos von Berlioz sieht, zeigt die enge Verbundenheit zwischen Intendant und Generalmusikdirektor, die für die Kölner Oper günstigste Auspizien verrät.

Hein Mulders beschließt das Interview mit einem Statement, das für seine Haltung und sein Ethos in Fragen der Kunst steht. „Ich positioniere mich nicht als Befürworter oder aber Gegner des modernen Regietheaters auf der Opernbühne. Es gibt kein Rezept dafür, die Anerkennung des Publikums auf jeden Fall zu gewinnen. Anspruch muss aber immer sein, höchste Qualität zu bieten und eine überzeugende Balance zwischen Musik und szenischer Gestaltung herzustellen.“

Norbert Pabelick, 26.09.2022