Gespräch mit dem Mond

Opern-Air Konzert am Tanzbrunnen Köln

Die Kölner Oper hatte zur Spielzeiteröffnung 2019/2020 zu einem Opern-Air Konzert an den Tanzbrunnen Köln eingeladen und über 1600 Besucher wollten sich dieses in Köln erstmalige Opernspektakel unter freiem Himmel nicht entgehen lassen. Da hatte auch Petrus ein Einsehen und bescherte nach kühlen Herbsttagen an diesem 15. September einen Spätsommerabend wie aus dem Bilderbuch.

So war es fast schon selbstverständlich, dass Claudia Rohrbach, der Sopranliebling des Kölner Opernpublikums, ihr „Lied an den Mond“ aus Dvoráks Oper „Rusalka“ bei strahlendem Vollmond ins weite Rund des stimmungsvoll illuminierten „Tanzbrunnen“ verströmen lassen durfte. Der Blick der Zuschauer wanderte aber auch zu der augenblicklichen Interimsstätte der Kölner Oper, dem Staatenhaus, das seit dieser Spielzeit in festlicher Beleuchtung die Besucher willkommen heißt.

Die Protagonisten dieses Sommerabendkonzerts waren mit Ausnahme der Mezzosopranistin Dshamilja Kaiser ausschließlich Sängerinnen und Sänger des Kölner Opernensembles, von denen fast alle im „Internationalen Opernstudio der Oper Köln“ ihre ersten Sporen verdient haben. Der in aller Welt gefeierte Bassbariton Samuel Youn schmetterte mit voluminöser Stimmgewalt die Auftrittsarie des Escamillo „Votre toast“ aus Bizets Oper „Carmen“ und glänzte mit schauspielerischem Furor, dem sich die Damen Dshamilja Kaiser, Claudia Rohrbach und Arnheidur Eiriksdóttir (Mitglied des „Internationalen Opernstudios“) als Carmen, Frasquita und Mercédès kaum entziehen konnten. Die Liebesglut des Toreros war allerdings auch mehr als verständlich, denn Dshamilja Kaiser betörte in der „Habanera“ mit ihrem glutvollen, in der Höhe prachtvoll auftrumpfenden Mezzo ungemein.

Vervollständigt wurde der Block „Französische Oper“ mit dem Schmugglerquintett aus „Carmen“, in der die langjährigen Ensemblemitglieder Alexander Fedin und Martin Koch ihr humoristisches Talent unter Beweis stellten, der Gavotte , der Bravourarie der Manon aus Massenets Oper „Manon“, welche die aus New Orleans stammende Sopranistin Emily Hindrichs mit glockenklaren Koloraturen natürlich und stimmschön interpretierte, und Auszügen aus Jaques Offenbachs Oper „Les Contes D‘ Hoffmann“.

Im Jubiläumsjahr des in Köln geborenen Komponisten, der sich selbst nie nur als Meister der Operette, sondern viel eher als Mann der ernsten Muse verstand, durfte Offenbachs Meisterwerk natürlich nicht fehlen, dessen Triumphzug in aller Welt der Komponist freilich selbst nicht mehr erleben konnte, da er kurz vor der Premiere von „Hoffmanns Erzählungen“ in der Opera Comique in Paris verstarb.

Der Schweizer Tenor Dino Lüthy sang mit tenoralem Schmelz und der notwendigen Attacke die Arie des „Klein Zack“, Claudia Rohrbach und Judith Thielsen ließen die Barcarole erklingen und in dem abschließenden Terzett zwischen Antonia, der Stimme der Mutter und Doktor Mirakel wurde deutlich, dass die Oper Köln mit der Sopranistin Kathrin Zukowski (noch im „Internationalen Opernstudio“) und dem koreanischen Bariton Insik Choi zwei Rohdiamanten besitzt, denen man eine ganz große Karriere voraussagen kann. Dies gilt auch für den Koreaner Young Woo Kim, der die Paradearie aller Tenöre, Puccinis Hit „Nessun dorma“ aus seiner Oper „Turandot“, mit verschwenderischer, strahlender Kraft wiedergab und damit das Publikum zu Beifallsstürmen hinriss.

Als das blendend aufspielende Gürzenich-Orchester unter seinem Dirigenten Alfred Eschwé den Cancan aus Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“ intonierte, war das Publikum förmlich aus dem Häuschen.

Die zweite Hälfte des Konzerts, das von Dr. Birgit Meyer, der Intendantin der Kölner Oper, und dem Chefdramaturgen Georg Kehren kenntnisreich, launig und humorvoll moderiert wurde, setzte ein mit einem Ohrwurm der Opernliteratur, mit dem Chor „Va pensiero“ aus Verdis Oper Nabucco. Schon erstaunlich, wie differenziert und klangschön Verdis Hymne im Tanzbrunnen erklang. Da hatten die Tontechniker wirklich ganze Arbeit geleistet.

Arien aus Mozartopern leiteten dann zur Operette über. Zunächst meißelte die blutjunge Sopranistin Alina Wunderlin („Internationales Opernstudio“) in einem Akt stimmlicher Hochseilakrobatik die halsbrecherischen Koloraturen der Höllenarie wie funkelnde Sterne in den Abendhimmel, dann schauspielerte und sang sich der österreichische Bassbariton Matthias Hoffmann mit der Arie des Papageno „Ein Mädchen oder Weichen“ in die Herzen der Besucherinnen und Besucher, sodass man meinen konnte, Mozart habe diese Arie eigens für diesen jungen Sänger komponiert. Und Insik Choi ließ zum Abschluss des Mozartblocks die so schwierige Champagnerarie perlen wie Sekt.

Ouvertüre, Couplet des Prinzen Orlofsky (Arnheidur Eiriksdóttir) und das Ensemble aus dem 2. Akt „Brüderlein und Schwesterlein“ aus der „Fledermaus“ von Johann Strauss mit u.a. Wolfgang Stefan Schwaiger und Lucas Singer bildeten den Abschluss eines vom Publikum begeistert aufgenommenen Konzerts, das in Köln Tradition werden sollte. Vielleicht werden ja auf diese Weise auch diejenigen dazu ermuntert, einmal eine Oper zu besuchen, die es bis jetzt noch nicht gewagt haben, ihren Fuß in ein Opernhaus zu setzen.

„Die Oper verbindet, sie verbindet Generationen, sie verbindet verschiedene Kulturen und unterschiedliche Religionen und wirkt dadurch versöhnend und friedenstiftend. Besuchen Sie uns in der Oper Köln!“, stellte Frau Dr. Meyer in ihrem Grußwort zum Schluss der Veranstaltung fest.

Es wäre zu schön, wenn angesichts der politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen unserer Tage diese optimistische Zukunftsperspektive Realität würde.

Norbert Pabelick


Alle Fotos: © Paul Leclaire / Kontakt zum Fotografen: paul@leclairefoto.de